Kopfschmerzen | Migräne – aus Sicht der TCM

Chronische Kopfschmerzen – Verlust an gesunder Lebenszeit und Lebensqualität

Kopfschmerzen gehören in unserer Gesellschaft zu den häufigsten Beschwerden und führen meist zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität für Betroffene und ihre Angehörigen. Chronische Kopfschmerzen führen für viele Menschen, zu einer starken Einschränkung in ihrem Alltag und einer geminderten Leistungsfähigkeit im Beruf. Sozialkontakte werden nur noch eingeschränkt wahrgenommen und auf Freizeitaktivitäten wird verzichtet.

Durch die Furcht vor einer drohenden Erkrankungsperiode kann die Lebensqualität zusätzlich stark beeinträchtigt werden, was wiederum Begleiterscheinungen wie Depression, Schlafstörungen oder andere Schmerzerkrankungen negativ begünstigen.

Nach eigenen Angaben sind rund 60 Prozent aller Deutschen gelegentlich von Kopfschmerzen betroffen – bei etwa einem Viertel treten Kopfschmerzen regelmäßig auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Kopfschmerzarten – aus westlicher Sicht

Es gibt rund 200 verschiedene Arten von Kopfschmerzen. Zu den zwei Häufigsten Formen zählen die Migräne sowie der Spannungskopfschmerz. In meiner Praxis behandle ich überwiegend PatientInnen, die unter einer der beiden Formen leiden.

Wichtig!

Sollten die Kopfschmerzen erstmalig bei Ihnen auftreten und/oder sehr stark ausgeprägt sein, lassen Sie diese sorgfältig abklären. Konsultieren Sie hierfür Ihren Hausarzt. Dieser wird Sie ggf. zu einem Neurologen weiterleiten.

Vor einer TCM-Behandlung sollten die Kopfschmerzen auf jeden Fall schulmedizinisch (d.h. ggf mit Hilfe von bildgebenden Verfahren -> CCT/MRT) abgeklärt worden sein.

Spannungskopfschmerz

Sprechen wir im Alltag von Kopfschmerzen, meinen wir in der Regel den Spannungskopfschmerz.
Hierbei handelt es sich um die häufigste Beschwerde. Frauen sind hierbei häufiger betroffen als Männer. Zwar gibt es Faktoren, welche den Spannungskopfschmerz begünstigen, die genaue Ursache ist jedoch bisher nicht bekannt.

Spannungskopfschmerz – Auslösende Faktoren identifizieren

Bei der Behandlung eines chronischen Spannungskopfschmerzes, geht es darum, potentiell auslösende Faktoren in der Lebensführung zu identifizieren und die entsprechenden Veränderungen zu vollführen. Typische Faktoren sind:

  • Psychosozialer Stress (Arbeit, Familie, Alltag)
  • Arbeiten in falscher Körperhaltung
  • Arbeiten bei schlechtem Licht
  • zu wenig Schlaf
  • Nikotingebrauch
  • Zähneknirschen, generell Störungen des Kauapparates

Spannungskopfschmerz – Symptome

Typisch für einen Spannungskopfschmerz sind:

  • Der Schmerz ist dumpf, drückend und/oder ziehend
  • Die Intensität von Spannungskopfschmerzen ist in der Regel leicht bis mittelschwer. 
  • Der Schmerz beginnt in der Regel im Nackenbereich und breitet sich langsam über den gesamten Kopf aus
  • Es fühlt sich an, als wenn der Kopf in einem Schraubstock eingezwängt ist
  • Schmerzlokalisation: 
    Viele Betroffene können eine genaue Lokalisation nicht konkret benennen. Der Druck ist oft an der Stirn und/oder im Nacken am stärksten. Gelegentlich reicht der Schmerz auch bis zu den Augen
  • Dauer einer Attacke: Zwischen 30 Minuten und sieben Tagen (unbehandelt oder erfolglos behandelt)

  • Bewegung und Aktivität lindern in der Regel die Beschwerden

Migräne

Die Migräne ist eine der häufigsten Formen von Kopfschmerzen. Etwa 20% der Frauen und 8% der Männer leiden unter dieser Erkrankung. Zwar konnte man über die letzten Jahre viel über die biologischen Abläufe während einer Attacke herausfinden, jedoch sind die genauen Ursachen nicht bekannt. Was definitiv bekannt ist, ist dass unsere Gene eine Rolle bei der Entstehung spielen. Migräne kommt in der Regel familiär gehäuft vor.

Migräne mit/ohne Aura

Es gibt unterschiedliche Formen der Migräne. Wenn vor der eigentlichen Kopfschmerzattacke andere Symptome als ‘Vorboten’ auftreten, spricht man von einer so genannten Aura.

Eine grundlegende Unterscheidung der Migräne ist:

  • Migräne ohne Aura: Hierbei handelt es sich um die am häufigsten vorkommende Migräne.
  • Migräne mit Aura: Hier kommt es bei 10 bis 15% der Patienten vor den Kopfschmerzen zu Sehstörungen oder anderen Anzeichen.

Ähnlich wie auch beim Spannungskopfschmerz, sind einige Auslöser (Trigger) für eine Migräne-Attacke bekannt. Diese können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. 

Migräne – Auslösende Faktoren (Trigger)

Bei entsprechender Veranlagung können bestimmte Faktoren eine Migräne-Attacke begünstigen oder auch auslösen. Jeder von Migräne betroffene Mensch, kann durch Selbstbeobachtung und das konsequente Führen eines “Kopfschmerz-Tagebuchs” die individuellen, persönlichen Trigger ermitteln. Einige der häufigsten Trigger sind: 

    • Stress in Form körperlicher oder seelischer Belastungen – Migräne tritt meist in der Entspannungsphase danach auf
    • Wechselnder Schlaf-Wach-Rhythmus (z.B. zu viel oder zu wenig Schlaf); aber auch Schicht- und Nachtarbeit
    • Muskuläre Verspannungen von Nacken- und Rückenmuskulatur
    • Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf – strikte Diäten/ Fasten/ Unterzuckerung/ Hungerzustand (z.B. aufgrund des Auslassens von Mahlzeiten)
    • Volumenmangel durch zu wenig trinken
    • Nikotinkonsum
    • Hormonveränderungen, z.B. während des Zyklus (Eisprung oder Menstruation) bzw. aufgrund der Einnahme von Hormonpräparaten (z.B. Anti-Baby-Pille, bei Beschwerden der Wechseljahre oder zur Osteoporose-Vorsorge)
    • Bestimmte Nahrungsmittel – z.B. Schokolade, Käse, Zitrusfrüchte, Alkohol (Rotwein!)
    • Äußere Reize bzw. Reizüberflutung wie (Flacker)Licht, Lärm oder Gerüche (z.B. auch ein starkes Parfüm)
    • Wetter- und Höhenveränderungen (Föhn, Kälte etc.)
    • Starke Emotionen, z.B. ausgeprägte Freude, tiefe Trauer, heftige Schreckreaktion, Angst
    • evtl. Medikamente z.B. Nitropräperate zur Behandlung von Herzkrankheiten oder Potenzmittel

Migräne – Symptome


Bei einer Migräne kommt es zu anfallsartigen Kopfschmerzattacken welche in unregelmäßigen Abständen wiederkehren. Manche Menschen haben nur ein- oder zweimal im Jahr eine Migräne. Andere leiden mehrmals im Monat oder gar fast täglich unter Migräne. 
Die Symptome variieren ebenfalls von Mensch zu Mensch:

  • Heftige, häufig einseitige pulsierend-pochende Kopfschmerzen. Die Intensität kann von Attacke zu Attacke variieren.
  • Die Intensität der Kopfschmerzen nehmen bei körperlicher Betätigung zu
  • Bei einem Drittel der Betroffenen bestehen Kopfschmerzen, die sich über den gesamten Kopf erstrecken
  • Bei den meisten ist der Kopfschmerz einseitig. Die Seiten können während einer Attacke oder von Attacke zu Attacke wechseln.
  • Dauer der Attacken: zwischen 4 und 72 Stunden

Begleitsymptome:

  • Appetitlosigkeit (fast immer)
  • Übelkeit (80 %)
  • Erbrechen (40–50 %)
  • Lichtscheu (60 %)
  • Geräuschempfindlichkeit (50 %)
  • Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen (10 %)
  • Leichtes Augentränen

Cluster-Kopfschmerz

Beim Cluster-Kopfschmerz handelt es sich typischerweise um einen stets einseitigen, attackenartigen Kopf- und Gesichtsschmerz. 
Cluster (a. d. Englischen) bedeutet soviel wie ‘Gruppe‘, ‚Häufung‘ und bezieht sich auf die häufig vorliegende Eigenart dieser Kopfschmerzform, in Episoden von Tagen bis Wochen stark gehäuft aufzutreten. Es können sich dann für Monate bis Jahre beschwerdefreie Intervalle anschließen.

Ein anderer Name für Cluster-Kopfschmerz ist das ‘Bing-Horton-Syndrom‘.

Cluster-Kopfschmerz – Mögliche Auslöser (Trigger)

Die Kopfschmerz-Attacken können durch unterschiedliche Faktoren (Trigger) ausgelöst werden. Die Wirkung der verschiedenen Trigger ist bei jedem Menschen individuell sehr unterschiedlich. Einige Menschen reagieren auf keine der oben genannten Trigger.

Diese Trigger sind aber nicht die eigentliche Ursache der Erkrankung. Die eigentlichen Ursachen sind bisher nicht geklärt. 

Mögliche Trigger:

  • Alkohol
  • Histamin und Glyceroltrinitrat.
  • Flackerlicht und grelles Licht 
  • Lärm
  • Lebensmittelzusatzstoffe wie Glutamat, Kaliumnitrit und Natriumnitrit, aber auch
  • Bestimmte Gerüche wie etwa:
    • Lösungsmittel, Benzin, Klebstoffe, starkes Parfüm

Weitere mögliche Auslöser:

  • Hitze
  • Schlafen tagsüber
  • Extreme Wutausbrüche oder Emotionen
  • Länger andauernde körperliche Anstrengung,
  • große Höhenänderungen 

Cluster-Kopfschmerz – Symptome

  • Stets Einseitiger Kopfschmerz
  • Der Schmerz wird als unerträglich, reißend, bohrend und manchmal als brennend beschrieben
  • Tritt attackenartig auf
  • Dauer der Attacken: 15 bis 180 Minuten
  • Lokalisation des Kopfschmerzes: Augenhöhle | hinter dem Auge. Unter Umständen breitet sich der Schmerz bis in die gleichseitige Schläfe aus.

Der Cluster-Kopfschmerz weist typischerweise eine Tagesrhythmik auf.

  • Die Schmerzattacken können bis zu acht mal pro Tag auftreten.
  • Oft zur gleichen Tageszeit

Gehäuftes Auftreten im Herbst und Frühling

Cluster-Kopfschmerz – Begleitsymptome

Es gibt eine Reihe von möglichen Begleitsymptomen, die zur Kopfschmerzsymptomatik auftreten können:

  • Motorische Unruhe
  • Verstärkter Tränenfluss (Lakrimation) sowie eine laufende Nase (Rhinorrhoe) | Beides auf der Kopfschmerzseite
  • Vermehrtes Schwitzen im Stirn- und Gesichtsbereichs
  • Rötung von Gesicht und Stirn
  • Völlegefühl im Ohr der betroffenen Seite

Außerdem können migräneähnliche Symptome vorkommen wie:

  • Aura
  • Übelkeit
  • Lärm- und Lichtempfindlichkeit

Kopfschmerzen – Aus Sicht der TCM

Kopfschmerzen aus Sicht der TCM werden anders als in der westlichen Schulmedizin unterschieden. Begriffe wie Spannungskopfschmerz oder Migräne werden nicht verwendet. 

Aus Sicht der TCM sind es sogenannte “pathogene Faktoren” die bei der Entstehung von Krankheiten eine zentrale Rolle spielen. Auch bei der Klassifizierung von Kopfschmerzen nach TCM ist es wichtig, herauszufinden um welche “pathogene Faktoren” es sich handelt.

Die TCM unterscheidet hierbei:

  • “Innere pathogene Faktoren”:

    Inneren Ursprungs bedeutet, dass nach Verständnis der TCM eine Disharmonie eines oder mehrere Organsysteme an der Entstehung beteiligt sind. Die Diagnostik zielt darauf ab, die unterschiedlichen Symptome und Zeichen zu deuten und das entsprechende Krankheits-Muster zu identifizieren.

  • “Äußere pathogene Faktoren” :
    • “Wind-Kälte”

    • “Wind-Hitze”

    • “Wind-Nässe”

Disharmoniemuster bei Kopfschmerzen und Migräne – Aus Sicht der TCM

Je nach Lokalisation der Kopfschmerzen und weiterer Funktionsstörungen (Symptome) werden nach TCM unterschiedliche Disharmoniemuster unterschieden.

Diese jeweiligen Kopfschmerztypen sind mit weiteren Funktionsstörungen in den entsprechenden Leitbahnen verbunden. Mit Hilfe von Pulsdiagnostik und Zungenbefund wird so die TCM-Diagnose gestellt und daraus ableitend die entsprechende Therapie.

Unterscheidung nach Leitbahnverlauf

Nach TCM verläuft über unseren gesamten Körper ein komplexes Netz aus sogenannten ‘Leitbahnen’ (auch bekannt als ‘Meridiane’). Diese transportieren Qi und Blut. Sie dienen darüber hinaus der Verbindung und Interaktion der einzelnen Organe.
Nach TCM ist Schmerz ein Ausdruck von Qi und/oder Blut, welcher nicht im Fluss ist. 

Die Lokalisation des Kopfschmerzes, gibt Hinweis auf die betroffene/n Leitbahn/en.

Shaoyang-Typ | Leitbahnen: Dreifach-Erwärmer und Gallenblase

Lokalisation: Seitlich | im Bereich der Schläfen.

Die Schmerzqualität in diesem Bereich ist meist stechend und pochend. In der Regel tritt der Schmerz einseitig auf; er kann die Seiten auch schonmal wechseln. Nach TCM deutet ein Schmerz in diesem Bereich auf eine Disharmonie der Leber hin. Meist aufsteigendes 'Leber-Yang' und/oder 'Leber-Feuer'

Yangming-Typ | Leitbahnen: Dickdarm und Magen

Lokalisation: Frontal, im Stirnbereich.

Schmerzen in diesem Bereich stehen nach TCM mit dem Magen in Verbindung. Bei dumpfem Schmerz, spricht dies für eine Schwäche des Magens; bei stechendem Schmerz, deutet dies auf 'Magen-Hitze' hin.

Taiyang-Typ | Leitbahnen: Dünndarm und Blase

Lokalisation: Im Bereich des Hinterhaupts und auch im Scheitelbereich. Können zusätzlich auch im Nacken, an den Schläfen, in der Stirn- und Augenregion auftreten.

Akute Schmerzen in diesem Bereich deuten auf das Eindringen eines 'äusseren pathogenen Faktors' (meist Wind-Kälte) hin. Chronische Schmerzen in diesem Bereich deuten nach TCM auf eine 'Nieren-Schwäche' hin, die sich in der 'Blasen-Leitbahn' manifestiert.

Taiyin-Typ | Leitbahnen: Milz-Pankreas und Lunge

Lokalisation: gesamter Kopf | Nackenbereich.

Akute Kopfschmerzen in diesem Bereich deuten auf das Eindringen eines 'äusseren pathogenen Faktors' (meist Wind-Kälte) hin. Dann ist der Schmerz in der Regel stark und stechend. Chronische Kopfschmerzen in diesem Bereich zeigen sich meist in einem dumpfen Schmerz,^ welcher von einem Leeregefühl begleitet werden kann. Dies kann nach TCM ein Hinweis auf ein Mangel an Nieren-Yin sein

Shaoyin-Typ | Leitbahnen: Herz und Nieren

Lokalisation: Im inneren des Kopfs | Auge | Hinterkopf

Ist der Schmerz in diesem Bereich dumpf, so deutet es auf einen (Leber-) Blut-Mangel hin. Ist der Schmerz hingegen von stenchend-pochendem Charakter, so deutet dies auf 'aufsteigendes Leber-Yang' hin.

Jueyin-Typ | Leitbahnen: Leber und Perikard

Lokalisation: Scheitelbereich | Auge

Schmerzen im Bereich des Scheitels deuten auf einen Kopfschmerz hin, welcher durch eine Leber-Disharmonie verursacht wird. Ist der Schmerz in diesem Bereich dumpf, so deutet es auf einen (Leber-) Blut-Mangel hin. Ist der Schmerz hingegen von stenchend-pochendem Charakter, so deutet dies auf 'aufsteigendes Leber-Yang' hin.

Wie sieht eine TCM-Behandlung gegen Kopfschmerzen oder Migräne aus?

Diagnostik

Am Anfang steht die Diagnostik:

  • Ausführliche Anamnese: Neben allgemeineren Fragen über die vergangene und aktuelle Gesundheitslage werden konkretere Fragen zu den Kopfschmerzen gestellt wie:
    • Beginn
    • (Tages-) Zeit
    • Lokalisation
    • Schmerzart 
    • Lindernde Faktoren
    • verschlimmernde Faktoren
  • Pulsdiagnostik
  • Zungendiagnostik

Therapieverfahren

Zum Einsatz kommen in erster Linie folgende Therapieverfahren:

  • Akupunktur
  • Chinesische oder westliche Kräuterarzneimittel

Neben dieser Therapieverfahren ist es wichtig, die Trigger zu identifizieren und gemeinsam Strategien zu entwickeln, die darauf abzielen mit aufkommenden Stress besser umgehen zu können. Hierfür eignen sich zum Beispiel Entspannungsverfahren (z.B. PMR | Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen), welche eingeübt werden können.

Akupunktur kann bei Migräne und Spannungskopfschmerz helfen!

Seit vielen Jahrzehnten wird zur Akupunktur sehr viel geforscht. Die Studienlage zeigt, dass sich die Akupunktur zur Behandlung vieler Erkrankungen eignet. So auch in der nichtmedikamentösen Prophylaxe von Migräne.

2018 wurde die Klassische Akupunktur in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), aufgenommen.

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